Alateen für Jugendliche
Alkoholismus betrifft in besonderem Maße die Kinder. Sie sind wehrlos und vielfach Gefangene einer Situation: denn Eltern bleiben lebenslänglich Eltern – man kann sie sich nicht aussuchen. Die Kinder sind in den meisten Fällen mit zwei Betroffenen konfrontiert: dem Trinkenden und dem Nicht-Trinkenden, häufig ist der Nicht-Trinkende noch belastender als der Trinkende.
Die Kinder stecken mittendrin. Sie sind genauso Angehörige wie die erwachsenen Angehörigen und leiden unter der familiären Situation. Dabei ist es ganz egal, wer in ihrem Umfeld trinkt, sei es Vater, Mutter, Oma, Opa, Onkel, Tante oder ein anderer. Es müssen nicht Fälle von physischer Gewalt sein, die ihnen zu schaffen machen. Nicht eingehaltene Versprechen, Geldprobleme, Scham und Schuldgefühle können sie genauso belasten. Wenn ein Kind für die Kontrolle des Alkoholikers eingespannt wird, macht ihm das ebenso zu schaffen wie wenn der nicht trinkende Elternteil gereizt, inkonsequent, leidend und hauptsächlich auf den Alkoholiker fixiert ist. Nicht nur lautes Streiten schadet dem Kind, sondern auch Schweigen oder Verleugnen des Trinkens. Viele Kinder verstecken in dieser Situation ihre Gefühle aber innerlich weinen sie. Andere spielen den Clown oder werden zum Perfektionisten oder Rebellen.
Alateen wurde 1957 von einem Jungen in Kalifornien gegründet, dessen Vater, ein Alkoholiker, in A.A. trocken geworden war. Seine Mutter ging in ein Al-Anon Meeting und so entwarf er Alateen nach den Grundsätzen von Al-Anon. In der Bundesrepublik besteht Alateen seit über 40 Jahren.
Der Name „Alateen“ kommt von „Al-Anon teenagergroup“.
Alateen bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, Erfahrung, Kraft und Hoffnung mit Gleichaltrigen zu teilen. Sie erfahren dort, wie andere mit ähnlichen Situationen umgehen und können so ihre eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Familie gegenüber verändern. In der Alateen Präambel heißt es dazu: „Wenn wir auch unsere Eltern nicht ändern oder kontrollieren können, so können wir uns doch von ihren Problemen lösen und sie trotzdem weiterhin lieben.“
Hier findest du ein Alateen Meeting in deiner Nähe
Erfahrungsberichte
…Familiengeheimnis
Meine Mutter führte mich zu Alateen. Sie ging schon eine Weile zu Al-Anon. Endlich sprach sie etwas aus, was nie ausgesprochen wurde: „Dein Vater hat ein Trinkproblem. Ich glaube, es wäre gut für dich Alateen auszuprobieren.“
Rauszugehen und das „Familiengeheimnis“ vor anderen Menschen zu lüften, stand im Gegensatz zu unseren bisherigen familiären Spielregeln. Um einen Tisch sitzen, in einem Raum voller fremder Menschen reden…was kann das bewirken???
Erstaunlicherweise gaben mir die Besuche bei Alateen viel. Alateen befreite mich über die Dinge zu sprechen, die mich belasteten, ohne Angst bewertet zu werden. Ich war nicht die einzige Person, die so fühlte. Ich musste nicht all das Aufgestaute in mir zurückhalten. Ich hatte Menschen um mich herum, die sich genau auf das beziehen konnten, was ich durchmachte. (Sandra)
Der Nutzen von Alateen: aus der Sicht eines Lehrers der 6. Klasse
Einer meiner Schüler schrieb einen bewegenden Aufsatz über Alateen und wie es ihm hilft, mit dem Alkoholismus in seiner Familie umzugehen. Als Lehrer kann ich fast die Zukunft der Kinder voraussehen. Sie tragen eine schwere Last, welche sie verdrängen aber nicht loswerden. Es ist so schwierig diese Last abzuarbeiten. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr manifestiert sie sich in Selbstzerstörung, wenn sie nicht aufgelöst wird.
Ich bin für meinen Schüler so glücklich, dass er Alateen hat und in der Lage ist, seine Erfahrungen mit anderen zu bearbeiten und es schließlich schriftlich auszudrücken. Ich hoffe, dass Alateen anderen helfen kann Hoffnung und Trost zu finden, um den Kreislauf der Krankheit Alkoholismus in ihrem Leben zu durchbrechen.
Eine Jugendliche bekommt einen Einblick in das Trinkproblem ihrer Mutter
Ich saß im Zuschauerraum der Schulaufführung „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Tief versunken verfolgte ich das Stück und spürte, dass es mir merkwürdig bekannt vorkam. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: genauso fühlt es sich an, die Tochter einer Alkoholikerin zu sein. Meine Mutter ist beides Jekyll und Hyde. Wie das berühmte Doppelgänger-Motiv verwandelt sie sich übergangslos vom Freund zum Feind, was mich erschreckt und in Angst versetzt.
Von außen betrachtet wirkt unsere Familie ganz normal – Mutter und Vater leben mit ihren Kindern in einem schönen Haus, mit Hund und zwei Katzen. Aber trittst du in mein Leben, verfängst du dich in einem emotionalen Chaos. Meine Sorgen beginnen jeden Morgen. Wer wird zur Tür hereinkommen? Ist es die Krankheit Alkoholismus oder die Person, die ich liebe? Empfange ich die sanften, fürsorglichen Worte einer liebenden Mutter, oder den verletzenden Schimpfschwall einer üblen Alkoholikerin?
Im Vergleich zu den meisten Klassenkameraden musste ich schneller erwachsen werden. Unzählige Male stand ich mitten in der Nacht völlig aufgelöst im Flur, während die Notärzte die Treppen hoch ins Schlafzimmer meiner Mutter stiegen. Jedes Mal hoffte ich, dass sie uns irgendwie von der Krankheit befreien würden, welche uns unser Leben gestohlen hat. So viele Jahre bin ich emotional Achterbahn gefahren, dass es anfing sich unheimlich normal anzufühlen.
Wie oft fühlte ich mich allein und einsam. Ich habe mit Angst gelebt – mit einer Mutter die anwesend, aber nicht da war. Durch das Rauf und Runter fand ich zu Alateen, ein Zufluchtsort, wo ich innerlich wachsen konnte. Jeden Sonntagabend gehe ich nun durch eine Holztür hindurch in einen kleinen Raum, wo ich von Jugendlichen umgeben bin, die so wie ich darunter leiden, dass ihre geliebten Menschen in den Abgrund des Alkoholismus entschwunden sind. Es ist ein Alateen Meeting. Hier treffen sich Jugendliche und teilen ihre Geschichten, Gefühle und Kämpfe. Wenn ich hier bin, weiß ich, dass ich nicht allein bin.
Meine Alateen Freunde sind eine Art Familie, zusammengefügt, weil die Familien, die uns das Schicksal bescherte, irreparabel zerbrochen sind. In diesen Meetings habe ich meine eigene Stimme wiedergefunden. Ich bin in der Lage meine Frustrationen und Ängste mit vielen zuhörenden Ohren zu teilen. Indem ich mit meinen Alateen Freunden spreche und ihnen zuhöre, habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich habe die Stärke erlangt, meine Mutter in ihrem Kampf mit der Krankheit zu sehen. Mittlerweile sehe ich mich als jemanden, der nach außen gewandt ist. Ich bemühe mich, auf der Spur zu bleiben und für andere da zu sein.