Empfehlungen von Therapeuten
Lernen, wie man unterstützt und nicht die Probleme des Trinkers löst
(Karen Carnabucci, Lake House Health and Learning Center, Racine WI, USA)
Als Psychotherapeutin werde ich immer gefragt: „Wie kann ich es schaffen, dass der Alkoholiker aufhört zu trinken?“
Naja, Sie werden niemals jemanden vom Trinken abhalten. Aber was Sie unternehmen oder unterlassen, wird denjenigen beeinflussen – genauso wie es Ihren Verstand oder Grad an Zurechnungsfähigkeit, sowie die Fähigkeit in Ihrer Welt mit dem Trinker (oder sei es Drogen- oder Tablettenmissbrauch) zu funktionieren, beeinflusst. Sie wollen lernen wie man unterstützt, nicht das Problem löst. Das ist nicht leicht. Für gewöhnlich wollen Menschen die Situation des geliebten Menschen verbessern. Aber wir wollen selbstverständlich nicht eine chemische (medikamentöse) Abhängigkeit unterstützen, Krankheit, Entschuldigungen oder Zaudern. Wir wollen Gesundheit, Wohlbefinden und angemessene Grenzen.
Ein guter Anfang wäre: gehen Sie zu Al-Anon. Al-Anon bietet ein Programm an, das sowohl das eigene Handeln aufdeckt, wie auch hilft Einstellungen zu ändern, die zu Destruktivität führen und sich als kontraproduktiv erweisen. Sie werden ebenfalls lernen zu üben, wie man in Liebe loslässt und sich zurücknimmt, sich wegbewegt, um nicht in den Sog der Krankheit des Anderen zu geraten.
Es ist nicht immer leicht, sich in ein Meeting zu begeben. Wir könnten vorsichtig sein, besonders wenn wir mit Gruppen in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es ist nur natürlich zu hinterfragen, wie eine gemeinschaftliche Gruppenunterstützung bei der Problemlösung hilfreich sein kann, im Vergleich zu einem voll ausgebildeten Professionellen mit etlichen Titeln und Zusatzausbildungen. Anderen Menschen wiederum ist es zu peinlich, Fremden Einblick in ein Leben voller Demütigungen, Chaos und Alkohol zu gewähren.
Ich nehme da gern die Rolle des Trainers oder Coachs an, um Menschen zu helfen, damit sie so gut wie möglich alle wichtigen Mittel einsetzen, Quellen anzapfen, die ihnen offen stehen:
- Suchen Sie nach einem Meeting. Verschiedene Meetings haben unterschiedliche Teilnehmer und einen verschiedenen Grad an Genesung.
- Besuchen Sie mindestens 6 Meetings bevor Sie entscheiden, zu bleiben oder zu gehen.
- Überdenken Sie nochmal Ihre Eigenarten, wie „ich müsste allein mit meinen Problemen fertig werden“ oder dass es beschämend ist, mit Fremden über Ihre Gefühle zu sprechen.
- Hören Sie zu, nehmen Sie auf. Fühlen Sie sich nicht unter Druck sich mitzuteilen, bis Sie soweit sind.
- Verbinden Sie sich. Suchen Sie eine Person, die das Programm gut kennt und bitten Sie sie oder ihn, Ihnen die inhaltlichen Schwerpunkte und den Umgang im Meeting zu erläutern.
- Es kann sein, dass Sie Menschen in der Gemeinschaft treffen, die Sie kennen. Merken Sie sich, dass Sie jetzt ein gemeinsames Ziel mit den anderen teilen: zu wachsen und allen gegenseitigen Respekt zu zollen, die sich mutig öffnen und die Hand ausstrecken.
- Vermeiden Sie, sich zu beklagen und meiden sie Menschen, die sich beklagen. Teilen Sie Ihre Erfahrung, Kraft und Hoffnung und hören Sie Menschen zu, die das gleiche tun.
Die Belohnung: Erleichterung, dass Sie nicht allein im Chaos der Krankheit stecken, das Gefühl einer Gemeinschaft und das Geschenk neuer Vorstellungen, wie Sie Ihrer speziellen Situation anders begegnen können.
Erfahrungsberichte
Therapeutin empfiehlt Patienten zu Al-Anon zu gehen
(Janet Fluker, Metro Atlanta Recovery Residences, Doraville GA, USA)
Wenn Familien zuerst zu uns ins Familien Erholungszentrum kommen, empfehle ich ihnen immer, ein Al-Anon Familiengruppen Meeting zu besuchen. Warum?
Ich erkläre ihnen „Wir möchten, dass Sie lernen, gut für sich zu sorgen, unabhängig davon, was Ihr geliebter Abhängiger tut.
Was zeichnet ein Familienmitglied aus, ein Kandidat für Al-Anon zu sein? Wenn ich sie danach frage, wie es ihnen geht und sie mir daraufhin erzählen, was ihr geliebter Mensch tut, dann ist das ein sicheres Zeichen.
Wenn ich danach frage, wie sie sich fühlen und sie es ernsthaft nicht wissen, alarmiert es mich, wie sehr sie sich auf ihren Lieben konzentrieren, statt auf sich selbst.
Wenn ein Familienmitglied nicht „nein“ sagen oder anderen keine Grenzen setzten kann, weiß ich, dass sie Nutzen aus Al-Anon ziehen können.
Viele Familienmitglieder haben schon so lange im Chaos der Sucht gelebt, dass sie sich ein friedliches, gelassenes Leben gar nicht vorstellen können. Al-Anon Besuche ermöglichen ihnen, auf Menschen zu treffen, die mal da waren, wo sie sich jetzt befinden, die aber gelernt haben, sich liebevoll von dem Süchtigen zu lösen und sich ihrem eigenen Leben zu widmen. Familien beginnen, die Erfahrung einer Unterstützung zu erleben, die sie so dringend benötigen. Sie lassen die Isolation hinter sich, die Sucht nun mal auslöst. Dieser Rückhalt und diese Stütze gibt ihnen die Kraft sich zu ändern, was ihnen wiederum den ersehnten Frieden und die Gelassenheit bringt.
Die Familienmitglieder, die Al-Anon besuchen, erlangen Hoffnung in die Zukunft. Sie lernen, ihren Lieben Grenzen zu setzen und fangen an zu begreifen, dass sie niemanden kontrollieren können, außer sich selbst. Diese Hilfe macht aus Al-Anon eine unbezahlbare Quelle für Familien, die der Auswirkung von Sucht ausgesetzt sind.
Therapeut erklärt die Auswirkung von Sucht
Paula und Tim kamen in die Therapie, um an ihrer Beziehung zu arbeiten. Paula war eine typische Fürsorgerin; das mittlere Kind in einer chaotischen Familie. Der Vater trank, die Mutter versteckte. Nie mit ihrem eigenen Leben klargekommen, konzentrierte sie sich ganz auf Tim. Tim dachte nicht im Traum daran, sich von irgendjemand bevormunden zu lassen. Als ältester Sohn zweier Alkoholiker, ließ er sich nicht reinreden. Sie griff ihn an und er rächte sich. Irgendwie blieben sie dennoch zusammen. In Sitzungen beklagte sie: „Ich leiste die ganze Arbeit in dieser Beziehung. Sie sollten mal sehen, wie gemein er ist.“ Daraufhin erwiderte er scharf: „Niemand würde sich mit ihren Beschwerden herumplagen.“ Ich lächelte und fragte: „Immerhin sind Sie hier und nach 10 Jahren immer noch zusammen. Ziemlich merkwürdig, dass Sie beide weiterhin an einer solch verletzenden Beziehung festhalten, findet Sie nicht?“
Eigentlich ist es überhaupt nicht verwunderlich für jemanden, der sich mit Alkoholismus auskennt. Kinder aus alkoholkranker Familie hegen keine hohen Erwartungen an Beziehungen. Jahrelanges Leugnen oder Bagatellisieren der beängstigenden Unbeständigkeit ihrer Eltern, haben erwachsene Kinder von Alkoholikern zu Überlebenskünstlern werden lassen. Wirkliches Aufblühen ist unvorstellbar für sie. Vertrautheit, Intimität ist beängstigend, weil sie fürchten ihre Fehler würden zum Vorschein kommen.
Dennoch, diese beiden liebten sich, wenn auch auf seltsame Weise; sie ergänzten sich, indem sie sich zerrissen. Man kann das den Tanz des Leugnens nennen oder einfach die Haltung die sie gelernt haben, indem sie Zeugen solchen Rollenverhaltens geworden sind. Beide, Paula wie Tim sahen ein, dass sie das makabre Leben ihrer Eltern lebten. Sie wussten nur nicht, wie es zu durchbrechen. Indem sie zugaben, dass sie nichts zu verlieren hätten, stimmten sie zu, zu Al-Anon zu gehen.
Was sie nicht wussten war, wie viel sie zu lernen hatten. Während eine Therapie sie aufklären könnte, befähigte sie dagegen nur ein gegenseitiges Selbsthilfeprogramm wie Al-Anon dazu, sich mit anderen zu verbinden. Obwohl sie sich unterschieden, waren sie nicht allein.
Paula kam zu der Einsicht, dass die Liebe zu jemand nicht bedeutete, ihn zu ändern oder Beschimpfungen und Missbrauch ertragen zu müssen. Auf sich selbst zu besinnen und auf ihrer Seite der Straße zu bleiben, wurden ihre beiden Mottos. Tim begann sich von der tief sitzenden „wütenden Opfer-Rolle“ zu befreien. Beide begannen langsam zu schätzen, dass sie bei Al-Anon genau die Hoffnung und Ermutigung erhielten, die sie als Kinder vermisst haben. Nun geben sie sich diese Hoffnung und Ermutigung gegenseitig. Das ist doch wahrhaftig ein sich gegenseitiges Ergänzen und ist obendrein auch therapeutisch.
Der Nutzen von Alateen: aus der Sicht eines Lehrers der 6. Klasse
Einer meiner Schüler schrieb einen bewegenden Aufsatz über Alateen und wie es ihm hilft, mit dem Alkoholismus in seiner Familie umzugehen. Als Lehrer kann ich fast die Zukunft der Kinder voraussehen. Sie tragen eine schwere Last, welche sie verdrängen aber nicht loswerden. Es ist so schwierig diese Last abzuarbeiten. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr manifestiert sie sich in Selbstzerstörung, wenn sie nicht aufgelöst wird.
Ich bin für meinen Schüler so glücklich, dass er Alateen hat und in der Lage ist, seine Erfahrungen mit anderen zu bearbeiten und es schließlich schriftlich auszudrücken. Ich hoffe, dass Alateen anderen helfen kann Hoffnung und Trost zu finden, um den Kreislauf der Krankheit Alkoholismus in ihrem Leben zu durchbrechen.